Bundestagswahl 2021: Zeit zum Handeln

Ein Kommentar von BDD-Präsident Uwe Goebel

Am 26. September ist es soweit: Deutschland tritt an die Wahlurnen und entscheidet über die politischen Kräfteverhältnisse im nächsten Deutschen Bundestag.

Die Wahl findet unter besonderen Vorzeichen statt: Es ist für die Dienstleistungswirtschaft erst einmal ein gutes Signal, dass Lockdowns in weite Ferne gerückt sind, dass den Bürgern ihre Freiheiten sukzessive zurückgegeben werden und dass eine offene Diskussion über den Einsatz der 2G-Regel und die Aussagekraft von Inzidenzen geführt wird. Unser Verband ist mit seinen Forderungen nach Maß und Mitte hin zur Verhältnismäßigkeit der einschränkenden Regelungen zum Teil deutlich auf Distanz zur Bundesregierung gewesen. Häufig konnten erst die Gerichte übergriffige staatliche Maßnahmen aufheben.
Die Politik ist beim Testen und Impfen viel zu zögerlich. Soweit hierzu Gesetze notwendig sind, wäre eine offene Aussprache in den Parlamenten ein Gewinn.
Klare Forderung unsererseits: Ein definiertes Ende-Datum für die Corona-Maßnahmen.
Eine Zeit „Nach Corona“ wird es wohl nicht geben, eine Zeit „Mit Corona“ eben doch. Die Verlängerung der pandemischen Lage ist nicht die richtige Antwort. Stattdessen muss der Blick auf die Zukunft gerichtet werden: Die Bewältigung der wirtschaftlichen, sozialen und gesellschaftlichen Folgen der Corona-Krise wird uns alle auf Jahre hinaus beschäftigen. Viele Dienstleistungsbetriebe befinden sich in Folge der Krise in einer existenzgefährdenden Lage und sind wirtschaftlich so ausgezehrt, dass sie notwendige Zukunftsinvestitionen aus eigener Kraft kaum stemmen können.
Wer jetzt von Steuererhöhungen spricht, verkennt völlig, dass wir bereits heute eine der höchsten Steuer- und Abgabenquoten haben. Der Staat muss fortan sparen und auf die Wirtschaftskraft vertrauen, wenn er höhere Einnahmen erzielen möchte. Im Gegenteil, die Steuern müssen gesenkt werden, und zwar für den Mittelstand insgesamt.

Gleichzeitig gilt es, mit dem digitalen Strukturwandel und der Transformation zu einer klimaneutralen Wirtschaft und Gesellschaft zwei epochale Umbrüche zu gestalten. Konkret kommt es für den Dienstleistungssektor – in aller Kürze – vor allem auf die folgenden Handlungsfelder an:

Erfolgsfaktor Digitalisierung:
Corona hat die hierzulande bestehenden Strukturschwächen, etwa im Bereich der digitalen Vernetzung, schonungslos offengelegt und beschleunigt den digitalen Strukturwandel – auch im Dienstleistungssektor. Damit der stark mittelständisch und stationär geprägte Dienstleistungssektor hier nicht den Anschluss verliert und seine digitale Präsenz ausbauen kann, brauchen wir finanzielle Unterstützung, eine bessere digitale Infrastruktur und eine digitale Verwaltung, die das Zusammenspiel
von Unternehmern und Behörden schneller und einfacher macht. Es gibt Förderprogramme für die Digitalisierung von KMU; Teil der Wahrheit ist aber auch, dass wir
eigentlich von Förderprogrammen für ureigene Aufgaben der Betriebe wegkommen müssen.

Impulse für lebenswerte Innenstädte:
Viele Dienstleister sind in den Innenstädten angesiedelt. Damit der Dienstleistungssektor auch in seiner stationären Form bestehen bleiben kann, bedarf es daher einer
dringenden Förderung des Wirtschaftsstandorts Innenstadt. Förderprogramme in Niedersachsen und NRW weisen in die richtige Richtung.
Jetzt müssen die rechtlichen Rahmenbedingungen geschaffen werden, um Veranstaltung, Wohnen, Gastronomie und Handel in den Innenstädten zu vereinen. Der Zugang der ländlichen Bevölkerung zu lebendigen Innenstädten muss immer berücksichtigt werden. Wir sprechen hier über öffentlichen Raum, der nicht nur der
Stadtgesellschaft gehört.

Nachhaltigkeit als Chance:
Nachhaltiges Wirtschaften ist unerlässlich. Die dazu ergriffenen Maßnahmen müssen sich aber wirtschaftlich lohnen. Für Investitionen in innovative Geschäftsmodelle sowie Klima- und Ressourcenschutz im Dienstleistungssektor ist unsere Branche jetzt auf einen politischen Rahmen angewiesen, der die Binnenwirtschaft stärkt und
den nachhaltigen und digitalen Wandel fördert. Der daraus resultierende Planungs- und Beratungsbedarf ist für beratende Dienstleister sicher positiv, aber steigende Energiepreise werden wie Steuererhöhungen die Kaufkraft mindern und das Leben verteuern. Die Energie- und Klimapolitik muss auf marktwirtschaftlichen
Instrumenten beruhen.

Entfesselungsoffensive für die Wirtschaft:
Damit die Dienstleistungsbranche nach der Krise wieder Fahrt aufnehmen kann, sind nun alle überflüssigen Regulierungs- und Bürokratiebremsen zu lösen. Dazu braucht es ein umfassendes Belastungsmoratorium für neue Gesetzgebungen sowie ein entschlossenes Programm zur Reduzierung des gesetzgebungsbedingten Erfüllungsaufwands für die Wirtschaft. Für jede neue Vorschrift muss eine alte gestrichen werden, jede neue Vorschrift muss nach kurzer Zeit evaluiert und gegebenenfalls geändert werden. Wir brauchen wieder mehr Zutrauen in die Kraft des freien Unternehmertums als Quelle von Wachstum und Wohlstand, aber auch als Treiber für Nachhaltigkeit. Deutschland muss die Spirale der sich gegenseitig verstärkenden Regulierungsintensität des nationalen Gesetzgebers und der EU-Gesetzgebung durchbrechen.

Die Krise als Chance für einen kraftvollen Neustart:
Für uns gilt es, den aktuellen Herausforderungen nicht nur mutig zu begegnen, sondern nachhaltige Lösungen zu finden. Die Dienstleistungsbranche will auch zukünftig ihren Beitrag zu Wachstum, Wohlstand und zum gesellschaftlichen Zusammenhalt leisten. Dazu müssen der neu zu wählende Bundestag und die künftige
Bundesregierung den richtigen politischen Rahmen setzen.

Das wichtigste dafür scheint mir daher, für eine hohe Wahlbeteiligung zu werben. Bei einer Bundestagswahl hatten wir in der Vergangenheit eine Wahlbeteiligung
von rund 75 Prozent. Bei 60 Millionen Wahlberechtigten entfallen auf eine Partei mit einem Wahlerfolg von 23 Prozent rund 10.400.000 Stimmen, die über die politische Führung der kommenden Jahre entscheiden. Es kommt somit auf jede Stimme an, um die demokratischen Kräfte zu stärken.
Daher meine Bitte: Werben Sie für den Gang zum Wahlbüro!

Ihr
Uwe Goebel
BDD-Präsident