Mehr Fortschritt wagen!

Die neue Ampelregierung steht vor großen Aufgaben, vor allem um die Pandemiefolgen für die Wirtschaft zu mildern.

Ein Kommentar von BDD-Präsident Uwe Goebel


In der ersten Dezemberwoche wurde Olaf Scholz zum neuen Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland gewählt. Als Dienstleistungsbranche wünschen wir ihm viel Erfolg in diesen herausfordernden Zeiten und freuen uns auf eine vertrauensvolle Zusammenarbeit.

Die Aufgaben, die vor uns liegen, könnten größer nicht sein. Für die vor uns liegende Dekade des Strukturwandels brauchen wir dringend eine langfristig angelegte Reformagenda. Digitalisierung, Dekarbonisierung und der durch den demografischen Wandel verursachte Rückgang der Arbeitskräfte verlangen mutige Antworten und einen großen Wurf. Hierfür braucht es Respekt vor Unternehmertum und Tarifvertragsautonomie ebenso wie die aktive Einbindung von Wirtschaft und Sozialpartnern in die Erarbeitung von praxistauglichen Lösungen.

Der Koalitionsvertrag von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP legt unter dem Titel „Mehr Fortschritt wagen!“ einen soliden Grundstein für die Regierungsarbeit der nächsten vier Jahre. Insgesamt lässt sich feststellen, dass unsere intensive Begleitung des Bundestagswahlkampfes und der Koalitionsverhandlungen an vielen Stellen Früchte getragen haben.
Die Ampel-Parteien haben erkannt, vor welch großen Herausforderungen die Dienstleistungsbranche und die vielen kleinen und mittelständischen Unternehmen in unserem Land stehen – mit Blick sowohl auf die akute Bewältigung der Corona-Krise als auch auf den längerfristigen Strukturwandel.

Die aktuelle Infektionslage erfordert entschlossenes und koordiniertes politisches Handeln, das mit geeigneten und zielgenauen Maßnahmen zur wirksamen Eindämmung der Pandemie beiträgt. Daher begrüßen wir ausdrücklich die geplante Neuordnung des Corona-Krisenmanagements der Bundesregierung zur Bekämpfung der Corona-Pandemie. Diese muss nun konsequent umgesetzt werden, damit wir endlich zu einer ausgewogenen, vorausschauenden und wissenschaftlich fundierten Pandemiepolitik gelangen.
Der bundesweite Flickenteppich an zum Teil nicht mehr nachvollziehbaren Corona-Regelungen der Länder muss ebenso der Vergangenheit angehören
wie pauschale und undifferenzierte Maßnahmen, die großen wirtschaftlichen Schaden anrichten, ohne einen wirksamen Beitrag zur Bekämpfung der Pandemie zu leisten.

Gleichzeitig setzen wir darauf, dass die neue Bundesregierung die von den staatlich verordneten Schutzmaßnahmen unmittelbar betroffenen Unternehmen
bei der Bewältigung der enormen wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise angemessen unterstützt. Dazu bedarf es zwingend einer schnellen Anpassung der Corona-Hilfen an die veränderte Lage. Ansonsten drohen in unserer Branche gewaltige Strukturbrüche mit enormen negativen Auswirkungen auf unsere Innenstädte, Stadtteilzentren und Ortskerne. Zudem sollten die unterschiedlichen Regelungen der Corona Soforthilfe bundesweit vereinheitlicht werden:
Warum die Hilfe in NRW großzügiger gewährt wird als zum Beispiel in Niedersachsen, ist nicht sinnvoll zu rechtfertigen.

Parallel zum akuten Krisenmanagement muss die Bundesregierung jetzt die notwendigen Impulse setzen, um die von der Pandemie besonders hart getroffenen Innenstädte mit Dienstleistungsangeboten für Kultur und Tourismus sowie dem Handel einen kraftvollen Neustart nach der Krise zu ermöglichen.
Der Koalitionsvertrag enthält hierzu wichtige Ansatzpunkte, die nun schnell konkretisiert und mit Leben gefüllt werden müssen. Dies betrifft unter anderem die zugesagte Unterstützung der Dienstleistungsbranche beim digitalen Strukturwandel und die Stärkung unserer Innenstädte als wichtiger Wirtschaftsstandorte und
als Orte der Begegnung und des sozialen Miteinanders.

Äußerst kritisch betrachten wir hingegen die vorgesehene Anhebung des Mindestlohns auf 12 Euro durch Politik und Wahlversprechen. Die politische Festlegung des Mindestlohns führt zur Entmachtung der Mindestlohn-Kommission und ist eine massive Verletzung der Tarifautonomie. Nur die Tarifvertragsparteien könnten die wirtschaftliche Belastbarkeit der Unternehmen in ihrer Branche beurteilen. Insbesondere in Folge der wirtschaftlichen Belastungen der Corona-Pandemie ist eine solche Anhebung des Mindestlohns eine unzumutbare Belastung vieler kleiner und mittelständischer Unternehmen in der Dienstleistungsbranche.

Nach der Regierungsbildung kommt es jetzt auf die konsequente Umsetzung der formulierten Ziele an. Die Dienstleistungsbranche muss sich in dieser pandemiebedingt schwierigen Zeit auf starke, richtungsweisende Impulse der Bundesregierung verlassen können.

Wir appellieren daher an die neue Regierung, schnell in einen Arbeitsmodus zu finden und die anstehenden Herausforderungen anzugehen.