Von den Europawahlen gehen gemischte Signale aus: Einer auf über 60% stark gestiegenen Wahlbeteiligung in Deutschland stehen Wahlbeteiligungen um 30% in mehreren südosteuropäischen Staaten gegenüber. Im Durchschnitt ist die Wahlbeteiligung in Europa aber gestiegen, auf über 50% – das ist ein gutes Signal.
Im Europäischen Parlament gibt es zudem eine klare Mehrheit für Parteien, die sich zum europäischen Projekt bekennen. Trotz des Erstarkens populistischer Kräfte in vielen Mitgliedstaaten zeigt das Wahlergebnis, dass eine Mehrheit der Europäer an eine positive Zukunft der EU glaubt und diese gemeinsam gestalten will. Das ist eine gute Nachricht nicht nur für uns Dienstleister, sondern für alle Bürger Europas. Zur erfolgreichen Mobilisierung haben sicherlich auch die zahlreichen Wahlaufrufe von mittelständischen wie großen Unternehmen und Verbänden beigetragen.
Während die Klimapolitik in Deutschland zentrales Wahlkampthema war, das die Grünen hierzulande zu klaren Wahlgewinnern macht, stehen in vielen Staaten andere Themen im Vordergrund: Hohe Jugendarbeitslosigkeit, der Umgang mit dem Migrationsdruck, die nicht überwundene Schulden- und Bankenkrise, um nur diese Beispiele zu nennen. Europa ist für die Wirtschaft von elementarer Bedeutung, hier und in ganz Europa.
Als Branchenverband der Dienstleistungsunternehmen machen wir aktiv mit, wenn es um die Gestaltung besserer wirtschaftlicher Rahmenbedingungen in der EU geht. Das nun vorgeschriebene A1 Formular im Rahmen der Entsenderichtlinie für jede innereuropäische, beruflich bedingte Reise ist ein Rückschritt mit Bezug auf den freien Dienstleistungsverkehr, sie ist vor allem auch ein bürokratisches Hemmnis. Die anlaufende Diskussion um die vom EuGH vorgeschriebene Erfassung der Arbeitszeiten birgt ebenfalls erhebliche Risiken für mehr Bürokratie. Der BDD setzt sich stark dafür ein, zu zeitgemäßen und effizienten Regelungen zu kommen. Auf die großen globalen Herausforderungen von heute brauchen wir europäische Antworten, aber sicher nicht mehr Bürokratie.
Angesichts der großen Herausforderungen muss es für das Europäische Parlament und die Kommission darum gehen, so schnell wie möglich in den Arbeitsmodus zu kommen. Zu befürchten ist stattdessen, dass die Verhandlungen um die Spitzenposten bei der Kommission, dem Rat und der EZB noch lange dauern werden. Doch gerade die Hängepartie bei der Besetzung der Spitzenposten auf EU-Ebene können wir uns nicht leisten.
Gefragt sind jetzt Maßnahmen zur Stärkung offener Märkte und des freien Handels nach innen und nach außen. Die Dienstleistungswirtschaft braucht einen Binnenmarkt, der für die Digitalisierung gerüstet ist und eine Politik, die auf globale Wettbewerbsfähigkeit setzt. Digitalisierung und internationale Wettbewerber warten nicht, bis Europa sich neu sortiert hat.
Uwe Goebel, BDD-Präsident