Bilanz nach einem Jahr Ampel-Koalition: Es ist wieder mehr Aufbruchstimmung und vor allem mehr Wagemut nötig, fordert BDD-Präsident Uwe Goebel zum Jahresende.
Ein Kommentar von BDD-Präsident Uwe Goebel
Vor rund einem Jahr ist die Ampel-Koalition angetreten, um mehr Fortschritt zu wagen – so steht es über dem Koalitionsvertrag zwischen SPD, Grünen und FDP.
Die neue Regierung war in Aufbruchstimmung – getragen von dem gemeinsamen Ziel, unser Land zu modernisieren und erfolgreich in eine klimaneutrale und digitale Zukunft zu führen. Und auch bei uns in den Unternehmen machte sich Zuversicht breit, nach den zähen Monaten der Pandemie allmählich wieder durchstarten zu können.
Am 24. Februar wurde diese Zuversicht jäh zunichte gemacht. Seither erleben wir eine Zeitenwende, in der Sicherheitspolitik genauso wie in der Energie- und Fiskalpolitik.
Der Krieg ist auch für die Dienstleistungsbranche ein Schock, nach der Pandemie der zweite in unmittelbarer Abfolge. Das spüren die Bürger. Darunter leidet auch die Wirtschaft.
Deshalb ist es richtig, dass die Bundesregierung mit ihren Entlastungs- und Unterstützungsmaßnahmen sowohl die Verbraucher als auch die Unternehmen adressiert. Wir hoffen sehr, dass die Gas- wie auch die Strompreisebremse nun rasch praxistauglich und wirksam umgesetzt werden. Das gleiche gilt für die Härtefallhilfen.
Ein Punkt ist mir hierbei jedoch wichtig: Bei den von uns geforderten Hilfen geht es ausdrücklich nicht darum, den notwendigen Strukturwandel, der auch unsere Branche voll erfasst hat, hinauszuzögern oder mit öffentlichem Geld zuzuschütten. Was wir in dieser besonderen Notlage mit aller Kraft verhindern müssen, sind wirtschaftliche Strukturbrüche, die die gesunde Substanz unserer Unternehmen unwiederbringlich zerstören. Mit den höchsten Energiepreisen in Europa und im Vergleich zu Asien und den USA verlieren wir industrielle Wettbewerbsfähigkeit mit fatalen Folgen für Dienstleistungsunternehmen. In den letzten Monaten haben deutsche Direktinvestitionen in den USA Höchststände erreicht, Arbeitsplätze werden also künftig nicht in Deutschland geschaffen.
Digitalisierung, Dekarbonisierung und Demografie – die großen Zukunftsaufgaben jetzt zu vernachlässigen, wäre grundfalsch. Deshalb brauchen wir sowohl in der Klima- und Energiepolitik als auch in der gesamten digitalen Transformation nun kluges politisches Handeln – nicht, obwohl wir schon wieder eine akute Krise zu bewältigen haben, sondern gerade weil die aktuellen Herausforderungen nur aus einer Position wirtschaftlicher Stärke heraus zu stemmen sind.
Mehr Fortschritt zu wagen, so wie es über dem Koalitionsvertrag steht, bleibt also auch in diesen Krisenzeiten richtig – ebenso wie es richtig bleibt, auf die Kräfte des freien Wettbewerbs und des Unternehmertums zu vertrauen. Denn auch wenn die akute Krisenlage temporär nach verstärkter staatlicher Steuerung verlangt, dürfen wir unseren ordnungspolitischen Kompass nicht über Bord werfen.
Wir Dienstleister schauen nach vorne. Wer nicht Optimist ist, ist in unserer Branche fehl am Platz. Wir als Dienstleister stehen bereit, die Zeitenwende aktiv mitzugestalten.